Pilgerbericht Berlin-Teltow - Wittenberg

von Peter Götz

Sonntag, 23. Juli 2017

Strecke: Pilgerwanderung  auf dem Jakobsweg Berlin-Leipzig bis Saarmund, ca. 21 km

Treffpunkt kurz vor 10.00 Uhr haben sich alle Teilnehmer am nördlichen Ausgangdes S-Bahnhof Teltow-Stadt, Endstation der Linie S-25, versammelt. Lothar und Elke aus Lübben sind mit dem Auto auch schon da. Das „große Gepäck“ in Form von kleinen Rollkoffern, Rucksäcken oder Taschen wird in Lothars Wagen verladen, Die Wanderung beginnt mit „leichtem Gepäck“.

Wegverlauf: An der Kirche von Teltow bekommen wir keinen Einlass und veranstalten in eigener Regie unsere Andacht zum Beginn der Pilgerfahrt vor der Kirchemit von Hilke und Kristina vorgetragenen Texten, Liedern unter Antonias Dirigat und einem selbst gespendeten Pilgersegen. Wir wandern anschließend durch die blumengeschmückte Altstadt von Teltow und setzen unseren Weg  trotz der zahlreichen Firmenniederlassungen und regem Autoverkehr auf der Oderstraße fort, wie die  Pilgermuschel es auch anzeigt.

Bei der Kirche von Stahnsdorf müssen wir einmal unseren Weg korrigieren, was einen kleineren Umweg durch Gestrüpp, Bachlauf  und Brennnesseln erfordert. Die kurze Rast an der Schleuse gibt uns Gelegenheit, die „Berg- und Tal“-Schleusungen der Sportboote zu beobachten. In der Fortsetzung des Weges entfernen wir uns vom Teltowkanal und gelangen in ein ausgedehntes Friedhofsgelände, zu dem auch der bekannte Südwestkirchhof Stahnsdorf gehört mit berühmten Skulpturen nicht weniger berühmter Verstorbener (u.a. befindet sich dort auch das Grab von Theodor Fontane). Wir kehren in das Lokal gegenüber des Haupteingangs des Südwestfriedhofs ein.Der Name des Lokals „Tick-Tack“  erklärt sich bei einem Blick in das Innere des Hauses, wo unzählige Uhren an den Wänden und auf allen Standflächen auf einen tüchtigen Sammler hinweisen. Die Fortsetzung des Weges bringt uns nach einiger Zeit in ein schönes blütenreiches Wiesengelände, über dessen Feldweg wir nach Güterfelde gelangen. Vorbei an alter Feldsteinkirche und Schloss. Auf der Wiese am Gütertsfelder Badesee  legen wir  unter Kristinas Anleitung, im Kreis stehend, eine wohltuende Gymnastik-Runde ein. Dort entscheiden wir uns auch statt eines weiten Bogens durch den Wald den kürzeren (Rad-)Weg zu nehmen, der - zunächst in wohltuendem Abstand von der Fahrstraße - nach Philippsthal verläuft.  Wir kommen am „Restaurant Philippsthal“ vorbei, wo wir für das Abendessen angemeldet sind, setzen unsere Wanderung aber noch für 3 weitere km fort, um in den „Mühlengrund“ in Saarmund zu gelangen. Das ehemalige Gasthaus ist zu einer sehr angenehmen Pilgerherberge unter Leitung von Frau Berend umgewandelt worden. Mit den Autos von Frau Berend und Lothar Bretterbauer werden die inzwischen erfrischten Pilger um 19 Uhr zurück zum Restaurant Philippsthal“ gebracht, wo wir die vorbestellten

Gerichte (3x Matjes, 3x Gemüse vegetarisch und 5 x Hähnchenkeule - alles sehr lecker zubereitet) im schönen Gartenlokal genießen können. Im Garten des „Mühlengrundes“, unterm Dach weitgehend verschont von den blutgierigen Stechmücken, veranstalten wir unsere  Pilgerandacht mit anregenden Gedanken zum Thema „Umkehr“ und angemessenen Abendliedern.  Gesanglich war unsere Gruppe hörenswert, dank tonsicherer Sänger mit  schöner Stimme.

 

Montag, 24. Juli 2017

Strecke: Fortsetzung auf dem Jakobsweg Berlin –Leipzig nach Beelitz, ca. 17 km

8:15 Uhr: Gepäckverladung  in Lothars Auto, 8:30 Uhr reichhaltigesFrühstück, 10 Uhr Andacht im Gelände des Kindergartens (da trotz mehrerer Anfragen niemand zur Verfügung stand, um  die  Kirche zu öffnen). Gedanken zum Christophorus-Tag (24 Juli):

„Wie Christophorus, wollen wir unsere Last tragen, auch übersetzen anein neues Ufer, uns nicht ängstigen vor der Schwelle, die wir überschreiten sollen, uns tragen lassen und andere selbst tragen“.

Wegverlauf: ca. 2,5 km auf der Saarmunder Dorfstraße bis zur Autobahn-Unterführung, dann entlang der Bauschuttdeponie, weiter durch Wald und anschließende Felder auf dem alten Potsdamer Postweg nach Kähnsdorf. Einkehr in der  „Sommerresidenz“  von Antonia und Peter: Kurzzeitige Erholung mit Getränken; 2 von uns wagen ein Bad im Seddiner See nach Durchwaten des schlammigen Ufers.

Naturkundliche Information gibt es im Findlingsgarten Kähnsdorf mit einem  Kurzreferat über die Gestaltung der durchwanderten Landschaften durch die glaziale Vereisung. Der Wirkung der Eiszeit (in unserem Gebiet die mittlere = Saale-Eiszeit) verdanken wir die mitgeschleppten Findlinge, aber auch die hügelige Landschaft (Geschiebe-Moränen und sandgeblasene Dünen), zahlreiche.Seen (u.a. Toteislöcher),Schmelzwasserrinnen und Sanderflächen.

Wir setzen den Weg fort durch ein schönes Wald- und Wiesengebiet zu den ausgedehnten Spargelanbauflächen (Beelitzer Spargel!) rund um Schlunkendorf. Beim Einzug in den alten Pilgerort (Wunderblutkirche !) Beelitz erschreckt uns der dröhnende Lastzugverkehr, der sich mühsam durch den Ort quält. Mühelos finden wir zur Nürnbergstraße, wo wir in der „Pension Pauline“ von Frau Pelz in den sehr schönen,  neu geschaffenen  Gästezimmern im ehemaligen Elekrizitätswerk empfangen werden. Um 19 Uhr machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant  zum Abendessen und finden Platz zunächst im Innenhof der „Alten Brauerei“ im Ortskern von Beelitz, von wo wir wegen einsetzenden Regens ins ebenfalls sehr schöne Innere des Hauses umsiedeln.


Dienstag, 25. Juli 2017, Fest des Hl. Jakobus

Strecke: Pilgerweg Beelitz - Treuenbrietzen, ca. 21 km

Wegverlauf: Nach einer Andacht vor der Stadt-Kirche von Beelitz verlassen wir den Ort in Richtung Süden, Nach der Kreuzung unserer Straße mit der Bundesstraße 2 (B-2) geht es durch Wald und Feld nach Elsholz, und  - wegen des Regens auf dem Radweg parallel zur  B2 - nach Buchholz. Auf der Suche nach einem Imbiß finden wir auf dem  Buchholzer Campingplatz in der „Gartenidylle“ verständnisvolle Besitzer, die speziell für uns die Gaststätte öffnen und uns mit Kaffee und anderen Getränken sowie mit frisch gebackenen Waffeln versorgen. Gestärkt folgen wir zunächst dem Radweg, der parallel zu B-2 verläuft, und biegen dann wieder auf den Pilgerweg ein, der leicht ansteigend durch eine ausgedehnte Heidelandschaft mit Birken und Kiefern führt. Leider ist das dicht den Boden bedeckende Heidekraut (Erika, Calluna vulgaris) noch nicht am Blühen, stattdessen nässt uns der stetig fallende Regen weiterhin gründlich ein. Beim „Sebaldushof“, einer im Wald versteckten Pulverfabrik mit Arbeitslager aus der Nazi-Zeit, biegen wir nach links ab und erreichen nach kurzer Zeit in der Berliner Siedlung, Goetheweg 9,  die „Pension Britta“ der Familie Höhne als unser Nachtquartier. Ein weiteres Doppelzimmer steht im Ort Treuenbrietzen im „Apartmenthaus Hühnerhof“ zu Verfügung.

Für die übrigen Pilger gibt es in der „Pension Britta“ Zimmer bzw. auch „romantische“ Schäferwagen (mit Dusche und Toiletten „überm Hof“ ! ). Um 19 Uhr sind wir als Gäste zum Abendessen im griechischen Restaurant „Ja Mas“ im Zentrum von Treuenbrietzen angemeldet, wohin uns Herr Höhne und Lothar freundlicherweise mit dem Auto bringen.

Unter anderem singen wir natürlich gemeinsam auch das Lied von Sabinchen,deren Skulptur unweit vom Restaurant vor dem Rathaus aufgestellt ist.

Die erste Strophe lautet:

Sabinchen war einFrauenzimmer,

gar hold und tugendhaft.

Sie diente treu und redlich immer,

bei ihrer Dienstherrschaft.

Da kam aus Treuenbrietzen

Ein junger Mann daher,

der wollte so gerne Sabinchen besitzen

Und war ein Schuhmacher

 

Mittwoch, den 26. Juli 2017

Treuenbrietzen - Wittenberg

Strecke: teilweise auf dem Pilgerweg von Treuenbrietzen nach Lutherstadt Wittenberg, ca. 20 km

Nach einem sehr reichhaltigen Frühstück bei den Wirtsleuten Höhne treffen wir uns  - zunächst fälschlich vor der Kirche St. Marien -  dann endgültig und richtig vor der Nikolai-Kirche. Diese wird für uns geöffnet und wir feiern dort unsere morgendliche Andacht mit einem gesungenen Glaubensbekenntnis (GL777) und einer Meditation: „Warte nicht, bis Du alles verändern kannst“.

 

Am Kreisverkehr am Ortsende von Treuenbrietzen ist die Bundesstraße 102 wegen Bauarbeiten gesperrt. Wir kämpfen uns, wieder unter Regenschirm und Regenhaut, zwischen den Baumaschinen durch und erreichen auf schönen Feld- und Waldwegen den Ort Rietz. Eine Einkehr mit einfachen Gerichten (z.B. Kartoffelsuppe mit Würstchen) halten wir im schlichten Restaurant. Dier Fortsetzung des Pilgerweges führt durch ein ausgedehntes Waldgebiet, mit gelegentlichen Hinweisen zu Sehenswürdigkeiten (z.B. „Schneiderstein“). Als unser Weg wieder die B-2 erreicht, steht auch schon Lothar an der Straße, um uns nach Dietersdorf hinein zu begleiten. Inzwischen sind alle von dem ständig fallenden Regen durchnäßt, und. auch die Wanderschuhe stehen mittlerweile voll Wasser.

 

Statt der vorgesehenen Fortsetzung über Schwabeck und Feldheim verbleiben wir - des nicht nachlassenden strömenden Regens wegen - zunächst in einer dortigen Bäckerei und werden von dort in mehreren „Fuhren“ vom unermüdlichen Lother nach Kropstädt gefahren, wo die erste Gruppe sofort Busanschluss nach Wittenberg bekommt. Die 2. Gruppe, die inzwischen auf dem Radweg entlang der B-2 weitermarschiert ist, gelangt mit Lothars Hilfe ebenfalls nach Kropstädt, muss dort aber noch eine lange Weile auf den öffentlichen Bus nach Wittenberg warten. In der Zwischenzeit ist die dritte Gruppe von Lothar direkt nach Wittenberg gefahren worden.

Trotz des mittlerweile recht schlechten Wetters hielten wir unseren Vorsatz, täglich beim Pilgern eine Schweigestunde (Meditation) einzuhalten, tapfer durch.

Im historischen Cranachhaus in Wittenberg finden alle ein geräumiges  Zimmer mit Bad und Toilette und freuen sich über die zentrale Lage der Unterkunft direkt an Marktplatz, Rathaus und Stadtkirche. Wir essen zu Abend  im „Goldenen Löwen“. Alle sind beeindruckt von dem reichhaltigen Angebot in der Stadt zum 500. Jubiläum der Reformation, so dass wir beschießen, auch den morgigen Tag (Donnerstag) ganz diesem Angebot zu widmen und stattdessen auf die letzte Etappe des Pilgerweges (Bad Kropstädt – Wittenberg) zu verzichten. Die Richtigkeit der Entscheidung für einen längeren Verbleib in Wittenberg findet eine Bestätigung noch am gleichen Abend, als wir die Veranstaltung „Poesie unterm Sternenhimmel“, zwar ohne sichtbare Sterne, aber mit Gedichten über Sterne und Engel  mit begleitender Harfenmusik am Torraum 6 („Ökumene und Religion“) erleben dürfen.

 

Donnerstag, 27. Juli 2017

Aufenthalt in der Reformationsstadt Wittenberg

Wir beginnen unsern Wittenberg-Tag mit der Besichtigung des Panoramas von Yadegar Asisi: „Luther 1517“. Es befindet sich in einem großen zylindrischen Bau, dessen Innenwände von dem 1100 Quadratmeter großen Gemälde (15mx75m) ausgefüllt ist. Von einer begehbaren Plattform aus kann man in unterschiedlicher Höhe die Darstellung der mittelalterlichen Stadt Wittenberg zu Luthers Zeiten studieren. Beeindruckend sind die zahllosen Details, die der Künstler Asisi in diesem groß-formatigen Gemälde wiedergegeben hat. Entstanden sind diese Darstellungen in digitaler Technik aus realen Fotografien in Kombination mit choreografischen Szenen von kostümierten Personen. Yadegar Asisi ist in Wienals Sohn persischer Eltern geboren und lebt und arbeitet heute überwiegend in Berlin. Seit 2003 gestaltet  Asisi Panoramen (u.a. in Leipzig, Dresden, Berlin und Pforzheim).

Besonders beeindruckt waren wir u.a. von der raffinierten Lichtgebung im Tageslauf siehe (schräg einfallende Lichtstreifen aus den Kirchenfenstern!) und der Vielfalt an historischen Szenen: Vorlesen aus der Bibel vor einem Kreis von Zuhörern, die erfundenen Darstellung eines Gesprächs zwischen Cranach und Dürer, Szenen vomAblasshandel, der Abgabe des „Zehnten“ durch die Bauern u.v.a.m.

Nach Mittagessen in der „Trattoria Toscana“bei der Stadtkirche und anschließender Siesta machen wir uns erfrischt an die zweite Aufgabe des Tages: Besuch des „Lutherhauses und der umfangreichen dortigen Ausstellung: „Ein biografischer Rundgang“, mit vielen lesenswerten Texten und dazu passenden Exponaten. Das Abendessen wollten wir in Luthers Lieblingslokal, dem „Schwarzen Bären“ einnehmen, fanden aber dort keinen Platz für die ganze Gruppe, sodass wir uns getrennt auf verschiedene Restaurants verteilen mussten. Zum“ Abendgespräch“ fanden wir uns wieder vereint in einem Gemeinschaftsraum der Cranachherberge ein, wo wir uns unter Hilkes Anleitung Gedanken zur Rolle von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft machen konnten. Danach trugen wir unser aktuelles Wissen zusammen über Luther, sein Leben, und die Bedingungen, unter welchen sein Protest gegen den Mißbrauch des Ablasshandels von den 95 Thesen des 31. Oktobers 1517 bis  zur Entstehung der protestantischen  Weltreligion führten: wir benannten folgende Umstände:

Luthers Glaubwürdigkeit, aufgrund seines persönlichen Ringens um Rechtfertigung vor Gott (sole fidei - sole gratia;

Seine strikte Beschränkung auf die überlieferte Offenbarung (sola scriptura)

Seine Ablehnung des Unfehlbarkeits-Dogmas von Papst und Konzilien (solus Christus)

seine Fähigkeit, Überzeugungen in kurzen prägnanten  Botschaften auf deutsch niederzuschreiben,

deren zügige Veröffentlichung und rasche Verbreitung durch die neu entdeckte Buchdruckerkunst mit auswechselbaren Bleilettern,

Uneinigkeit  zwischen den geistlichen und weltlichen Mächten

 

Wir überlegten gemeinsam, welche der Unterschiede (Abendmahl unter beiderlei Gestalt, was geschieht bei der Wandlung, Erbsünde, Unbefleckte Empfängnis, Zölibat u.a.) zwischen den beiden christlichen Kirchen uns persönlich wichtig und  wesentlich erscheinen und ob eine ökumenische Vereinigung aller Christen nach unserer Meinung  möglich und wünschenswert wäre.


Freitag, 28. Juli 2016

Zweiter Tag  in Wittenberg

Auch der 2. Tag in Wittenberg wurde für uns zu einem einprägsamen Erlebnis. Er begann mit einer durch das Informationszentrum der Stadt organisierten Führung in der Schlosskirche und durch die Stadt.

Mit dem uns zugewiesenen Führer hatten wir großes Glück: Herr Jürgen Glaubig konnte uns seine Stadt engagiert und lebendig vorführen  und ebenso auf unsere reichlichen  Fragen und Diskussionsbemerkungen eingehen. Er erwies sich als eine politisch und religiös überzeugte Persönlichkeit. Daher war es für uns alle ein Vergnügen, seine Äußerungen und Stellungnahmen anzuhören. Er führte uns in die Schlosskirche, durch den Cranachhof über den Marktplatz mit dem prachtvollen Rathaus zur  Stadtkirche, und vor das Melanchthonhaus.. Überall gab es von ihm interessante und spannende Informationen.

 

Zur Rückfahrt von Wittenberg nach Berlin wählten wir einen RE: Abfahrt 16:52, Ankunft Berlin-Friedrichstraße 17:45, Der Zug hält in Berlin-Südkreuz, Friedrichstraße und im Hauptbahnhof Berlin. Am Bahnhof Wittenberg und später in der Station Südkreuz verabschiedeten sich die ersten aus unserer Pilgergruppe, um über andere Verkehrsmittel nach Hause zu gelangen. Wir trennten uns im Bewusstsein, während dieser Pilgerwoche eine harmonische,  lebendige Gruppe gewesen  zu sein, die alle Strapazen ohne Murren ertragen konnte und in gegenseitiger Liebe und Wertschätzung nun voneinander schied.