Pilgerbericht 2019 Von Zeuthen nach Lübben auf dem Paul-Gerhard-Weg

von Peter Götz

Donnerstag, der 13. Juni: Zeuthen-König Wusterhausen

Treffen 10:00 Uhr im Bahnhof Zeuthen, alle angemeldeten 13 Teilnehmer sind rechtszeitig da; - Uschi Skowronek kann leider wegen Verletzung nicht teilnehmen; Elke und Lothar laden  das „große Gepäck“ in ihr Auto.
Für den heutigen Tag (Zeuthen – König Wusterhausen) hat Monika Wittig dankenswerter Weise nach Absprache mit Lothar und dem Vorstand die Führung übernommen.
Kenntnisreich und eloquent führt uns Monika durch die Stadt Zeuthen. Wir sahen mehrere der stattlichen Häuser von Berlinern, die im vorigen Jahrhundert in den aufstrebenden Ort gezogen sind, vor allem nach dem Bau die Bahnlinie Berlin – Görlitz mit der Haltestelle Hankels Ablage im Ort, die später in Bahnhof Zeuthen umbenannt wurde. In der Schillerstraße wies uns Monika W. auf das dortige „Kupferhaus“ hin, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat: es handelt sich um die Idee eines Fertighauses aus Holzrahmen - und Kupferplatten, die von Gropius begeistert aufgenommen und von der Eberswalder Firma “Kupfer- und Messingwerke Hirsch“ tatsächlich auch hergestellt wurden. Als „Zionist“ verfolgte der Jüdische Unternehmer Hirsch die Vorstellung eines friedlichen Lebens  von Juden in Israel, wohin diese auch Ihre Häuser mitnehmen können sollten. Auf je 34 Pakete verpackt wurde eine Anzahl dieser Fertighäuser tatsächlich nach Israel gesendet. Sie hatten den Vorteil, im Sommer kühl und im Winter warm zu halten, allerdings aus späterer Sicht auch den Nachteil, dass in ihnen Rundfunk- oder TV-Empfang nicht möglich ist.
Stattliche Villen sahen wir vor allem entlang der Seestraße, wo wir zunächst den Chinesischen Garten aufsuchten, um anschließend über „Hankels Ablage“ zum Fontane-Park weiter zu ziehen. Im Fontane Park befindet sich ein Gedenkstein für Theodor Fontane (1819 – 1898), dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Der Ort Zeuthen und speziell Hankels Ablage findet in Fontanes Roman „Irrungen und Wirrungen“ besondere Erwähnung, da die Hauptfiguren des Romans, der Adlige Bodo von Rienäcker und die Schneidermamsell Lena im ehemaligen Hotel dieses Namens während ihres Landausflugs abstiegen und der Dichter nachweislich in Zeuthen auch das genannte Werk zu Ende brachte. Im Gedenken an diese Zusammenhänge las Monika Wittig aus den „Irrungen und Wirrungen“ einige Seiten an dieser historischen Stätte vor.
Die Fortsetzung unseres Weges brachte uns nach Wildau, wo es ebenfalls Ungewöhnliches zu beachten gab: einmal die dort noch erhaltenen Reste der Schwartzkopff-Werke, die bis zum Ende des 2 Weltkrieges eine Produktionsstätte der Schwerindustrie waren (u.a. wurden hier im Auftrag der nazideutschen Reichsbahn ca 3000 Lokomotiven angefertigt). Erhalten ist heute noch die Schwartzkopffsche Siedlung, ein Komplex mit 164 Wohnungen, die - sozial und modern - bereits damals mit Innen-Toiletten und einem zu jeder Wohnung gehörenden Hausgarten versehen war. Die Schwartzkopffschen Werke wurden komplett in die UDSSR deportiert, die Fabrikanlagen zum Teil abgerissen. Die verbliebenen Reste beherbergen heute die Fachhochschule für Ingenieurswesen mit ca. 5000 Studenten und auch das Helmholtz-Institut DESY (Deutsches Elektronen-Zyklotron).
Zu den Schwartzkopffschen Einrichtungen gehörte früher auch das Wassersporthaus „Ruderhaus“ an der Dahme, heute ein Terrassen-Restaurant, wo wir eine erholsame Pause einlegen konnten.
Der Weiterweg nach Königs Wusterhausen führte über den „Funkerberg“. Dies ist eine weitere historische Stätte, wo an die Anfänge der Rundfunksendungen erinnert wird: am 22. Dezember 1920 wurde von hier aus das erste Weihnachtskonzert per Rundfunk ausgestrahlt. Die notwendigen Antennen für die Sendung wurden per Ballon auf die dafür nötige Höhe gebracht.
Die Nacht verbrachte unsere Gruppe im schönen „Hotel Sophienhof“, zu dem wir allerdings noch einen Marsch von 2 zusätzlichen Kilometern zurücklegen mußten.

Freitag, der 14. Juni: Königs Wusterhausen – Mittenwalde
Der Pilgertag begann in der nahe gelegenen Kirche mit besinnlichen Gedanken, die Elisabeth für uns vorbereitet und dort vorgetragen hat. Es waren Anregungen zum Stillehalten, Nachdenken und In-sich-Hören, besonders geeignet für die halbstündigen Phasen des „Schweigens“ (Silentium), die wir uns täglich auf dem Pilgerweg zur Pflicht gemacht hatten - aber leider nicht immer konsequent einhielten.
Ein weiteres Missgeschick verlief vergleichsweise glimpflich: Beim Warten zerbrach ein Geländer, auf das Cornelia sich gesetzt hatte, und die Arme kugelte in einen tiefen Graben, vorbei an Ästen und Steinbrocken. Hilfe war rasch zur Stelle: die Schrammen wurden von Elke und Monika W. verarztet. Außer Hautverletzungen und einem Triangel im Kleid war der verbliebene Schaden zum Glück unerheblich.
Bei glühender Hitze ging es durch die ausgedehnten Rieselfelder von König Wusterhausen, die wegen der bunten Blumen am Wegrand zwar schön, aber großenteils erbarmungslos der glühenden Sonne ausgesetzt waren.
Am Wege blühten gelb: Königskerze, Nachtkerze, Immortellen, Gänsefingerkraut, Leinkraut, Rot blühend waren: Karthäusernelken, Rote Taglichtnelken, Malven,  Blutweiderich, blaue Blüten gehörten zu Wegwarte, Natternkopf, Feldrittersporn, Hundszunge und weiße Blüten zur Weißen Taglichtnelke bzw. dem Gipskraut.
Übernachtet haben wir etwas außerhalb von Mittenwalde im „Waldschlößchen“, wo wir zwar gut untergebracht waren, aber von der nur mühsam deutsch sprechenden Bedienung (oder Wirtin ?) ziemlich unfreundlich behandelt wurden.

Samstag, der 15. Juni: Mittenwalde – Groß Köris
Die Sankt-Moritzkirche in Mittenwalde war einer der Wirk-Orte von Paul Gerhardt.
Der Weg führte durch ein beliebtes Touristen- und Golfgebiet über Motzen an Dahme Seen vorbei nach Groß Köris. Im schön gelegenen „Seeschlößchen“ mit eigener Liegewiese, Badeplatz und Bootsverleih fanden wir heute unsere verdiente Bettruhe.

Sonntag, der 16. Juni: Groß Köris – Märkisch Buchholz
Heute sind wir überwiegend im Wald unterwegs. Am Forsthaus Hammer standen wir vor verschlossenem Tor, sahen zwar einen Tisch und Bänke, mussten aber notgedrungen auf einer kleinen Wiesenfläche vor dem Tor  lagern. Der „gütige Engel“ Elke erschien mit einer Anzahl gekühlter Flaschen Mineralwasser. Erfrischt und gestärkt konnten wir den Weg entlang der Dahme fortsetzen. Abwechslung brachte die Lektüre von verschiedenen Texten, die auf zerfallenden Pfählen zu lesen waren und von Autoren wie Mahatma Gandhi, Paul Celan, Eichendorf, Droste-Hülshoff, Lenau, u.a. stammten oder einen Text aus der Grimm’schen Märchensammlung enthielten (z.B. „Das tapfere Schneiderlein“): wir befanden uns hier nämlich auf einem Dichterweg, der durch eine auffällige Feder markiert war.
Die uns begleitende Dahme war mal mehr aus der Ferne über Wiesen hinweg zu sehen, mal führte  der Weg bis in ihre unmittelbare Nähe. In Märkisch Buchholz hatten Elke und Lother im „Landhotel garni“ Unterkunft besorgt. Nach einer willkommenen Siesta gingen wir zum gemeinsamen Abendessen in „Hermanns Marktrestaurant“, das direkt neben der Kirche lag.

Montag, der 17. Juni:  Märkisch Buchholz – Schlepzig
Zur Verkürzung der Wegstrecke (20 km Gesamtstrecke sind für unsere Gruppe zu viel; Lothar hat sich bemüht, die Strecke etwas abzukürzen). Zunächst ging es ein beträchtliches Stück entlang des Dahme-Spree-Umflutkanals, danach, ebenso lang durch den lichten Kiefernwald und nochmals an den Umflutkanal. Bei dieser Wegführung kamen wir nicht nach Köthen und auch nicht an den gleichnamigen See. Stattdessen gab es in Groß Wasserburg eine Gelegenheit zur Erholung; kühles Bier, Eis oder Eiskaffee erfrischten unsere Kräfte im „Café am Bogenbiwag“. In schönen Spreewaldort Schlepzig übernachteten wir in der Pension „Unterspreewald“ und nahmen das Abendessen beim Anblick „grasender“ Nutrias in der offensichtlich nicht nur bei „Biberratten“ sehr beliebten „Alten Brauerei“ ein.

Dienstag, der 18. Juni: Schlepzig – Lübben
Die Strecke von Schlepzig  nach Lübben legten wir nach einem gemeinsamen Beschluss mit dem Kahn auf den Kanälen des Unterspreewaldes zurück. Nach den ausgiebigen Wanderstrecken der Vortage war das lautlose, bequeme Gleiten im Spreekahn mit den sachkundigen Kommentaren unserer Kahnschifferin Yvonne Huber ein Hochgenuss. Von Lothar bekamen wir Wissenswertes über den Spreewald zu hören, Elke sang als willkommene Ergänzung ein Lied in sorbischer Sprache vor.
Zu sehen gab es im vorbeiströmenden Wasser Teich – und Seerosen, Pfeilkraut, Wasserlilien (Iris pseudacoris), Schwanenblume und am Ufer Blutweiderich. Es gab Gelegenheit, in den Baumscheiben umgestürzter Bäume die Löcher der  Brutröhren von Eisvögeln und gelegentlich Biberburgen zu sehen, Sumpfbiber (Nutria) im Wasser zu beobachten und  die Rufe von Kranichen zu hören. Von Lehningsberg aus, nach einer  Vesperpause in einem der dortigen Gartenlokale, vollendeten wir unser heutiges Programm mit einem Fußmarsch in die Stadt Lübben zur Unterkunft im „Hotel Spreeblick“, das uns allerdings im Vergleich zu den bisherigen Übernachtungsstätten wegen der engen Zimmer, dem lauten Straßenverkehr und dem jeweils einzigen, leider zur Straße gelegenen Fenster in den meisten von uns bewohnten Räumen, und dem trotzdem recht hohen Preis, enttäuschte. Allerdings war an dem reichlichen und schmackhaften Frühstück am nächsten Morgen nichts auszusetzen.

Mittwoch, der  19. Juni:
Abschluß in Lübben und anschließende Bahnfahrt zurück nach Berlin.

In der katholischen Kirche St. Trinitas von Lübben erlebten wir einen von Lothars Bruder geleiteten Wortgottesdienst mit Kommunion. Anschließend gedachten wir in der Paul Gerhardt Kirche am Marktplatz dem Namensgeber und hörten uns den letzten Teil der Biographie des berühmten Kirchenlieddichters aus Lothars Munde an.
Eine Abschlußbesprechung zur Pilgertour fand im Pfarrgarten statt, wo jeder Teilnehmer seine persönlichen Eindrücke von dieser Pilgertour wiedergeben konnte. Dies gab uns auch Gelegenheit, den beiden Organisatoren Lothar Bretterbauer und Elke Brunner herzlich zu danken für ihre Vorbereitungsarbeit und die außerordentlich hilfreiche Autobegleitung. Auch Monika Wittig wurde für Ihre Führung auf der ersten Etappe herzlich gedankt.
Alle waren sich darin einig, dass wir auch dieses Mal wieder eine sehr harmonische, fröhliche und auch leidensbereite Gruppe (Hitze!) waren und dass diese Pilger- Veranstaltung jedem von uns wertvolle Erlebnisse gebracht hat. –
Nach dem gemeinsamen Mittagessen eilten wir zum Lübbener  Bahnhof, um einen Zug zurück nach Berlin zu erreichen.